Serielles Bauen - Motor für den Wohnungsbau?

Viele Kräne vor einem Sonnenuntergang

Laut einer Analyse des Bündnis Soziales Wohnen vom Februar 2025 fehlen rund 550.000 Wohnungen. Als Ursache für den stockenden Wohnungsbau stellen Experten der Wohnungswirtschaft vor allem zu lange Planungs- und Bauzeiten heraus. Serielles Bauen gilt als Lösungsansatz, um die Effizienz bei gleichbleibend hoher Qualität und niedrigen Kosten zu steigern und findet auch im Rahmen von Lean Construction Management Anwendung. Aber was verbirgt sich hinter diesem Baukonzept?

Serielles Bauen: Gebäude aus der Produktionshalle

Der Begriff "Serielles Bauen" bezeichnet ein Verfahren, bei dem man die Erfahrung aus der industriellen Fertigung auf die Baubranche übertragen hat. Ähnlich wie in der Automobilbranche werden ganze Gebäude als Prototypen entworfen, um sie später in Serie zu bauen. So lassen sich mit einem Entwurf viele Wohngebäude realisieren. Das reduziert den Planungsaufwand und damit auch die Kosten.

Worin unterscheidet sich serielles Bauen von Modularem Bauen, Systemischem Bauen und Integralem Bauen?

Modulares Bauen

Fällt heute der Begriff „Serielles Bauen“, ist damit vielfach „Modulares Bauen“ gemeint. Diese Vorgehensweise löst das klassische Bauen von Unikaten nach dem „Stein auf Stein“-Prinzip auf einer Baustelle ab. Modulares Bauen beinhaltet damit eine Verlagerung des Herstellungsprozesses. Fertige Module wie Wände, Treppen, Balkone oder Bäder werden in Werken komplett vorgefertigt. Auf der Baustelle erfolgt lediglich die Montage. 

Systemisches Bauen

Systemisches Bauen bezeichnet ebenfalls ein Baukastenkonzept, bei dem vorgefertigte Gebäudeteile zu einem Bauwerk montiert werden. Auch dieses Konzept zielt auf kurze Planungs- und Produktionszeiten sowie zügige Bauarbeiten ab, stellt allerdings darüber hinaus die Nachhaltigkeit in den Fokus.

Integrales Bauen

Das Konzept des Integralen Bauens geht über die Vorfertigung einzelner Gebäudeteile hinaus. Stattdessen berücksichtigt Integrales Bauen den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes schon bei der Planung. Dies beinhaltet neben Planung, Finanzierung und Bau auch die Bewirtschaftung und die spätere Entsorgung. Auch hierbei besitzt der Nachhaltigkeitsaspekt einen hohen Stellenwert.

Worin liegen die Vorteile des seriellen Bauens?

1. Produktivitätssteigerung

Serielle Baukonzepte zahlen auf Produktivität und Effizienz von Bauvorhaben ein. Aufgrund der modularen Bauweise findet ein Großteil der Arbeiten in einer Fertigungshalle statt - unabhängig von Regen und anderen Witterungsbedingungen, die auf einer Baustelle zu einer Unterbrechung der Arbeiten führen können. Das Arbeiten im Werk bringt eine Produktivitätssteigerung mit sich, da die Mitarbeiter zu jeder Tages- und Nachtzeit im Schichtdienst arbeiten können. Auf diese Weise können Bauvorhaben deutlich schneller abgeschlossen werden. Das kann einen erheblichen Wettbewerbsvorteil bedeuten.

2. Kostenersparnis

Aufgrund der veränderten Arbeitsprozesse bringt serielles Bauen eine erhebliche Kostenersparnis mit sich. Fachleute aus der Wohnungswirtschaft sagen, dass in serieller Bauweise erstellte Gebäude verglichen mit konventionell erstellten Objekten deutlich kostengünstiger sind. Allerdings hängt die Ersparnis vom jeweiligen Projekt ab. Gemäß der Rahmenvereinbarung des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) liegen die Baukosten für seriell gebaute Wohnhäuser mit durchschnittlich 3.200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche deutlich unter den Preisen für Mehrfamilienhäuser.

3. Nachhaltigkeit

Das serielle Bauen kann einen wichtigen Beitrag zu Nachhaltigkeit und Klimaschutz leisten. Bei diesem Bauverfahren sind eine effiziente Nutzung von Materialien und die Reduzierung von Abfällen oft Teil des Konzepts. Die präzise Vorfertigung in Produktionsbetrieben ermöglicht zudem eine höhere Energieeffizienz der Häuser.

4. Attraktiveres Arbeitsumfeld

Das serielle Bauen kann die Attraktivität des Arbeitsumfeldes und die Baubranche attraktiver für Fachkräfte machen. Neben den witterungsunabhängigen Bedingungen profitieren Mitarbeiter in einer industriellen Fertigung vom Einsatz von Robotern, die zum Beispiel beim Heben schwerer Bauteile entlasten.

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Was sind die Nachteile beim seriellen Bauen?

1. Eingeschränkte Gestaltungsmöglichkeiten

Serielle Bauweisen spielen ihre Stärken beim Bau von Kitas, Schulen, Gewerbeimmobilien aus. Dennoch weist das Konzept beim Bau von Wohngebäuden Schwächen im Hinblick auf Gestaltungsmöglichkeiten auf. Zwar haben Architekten und Bauherren in der Planungsphase noch Möglichkeiten, einzelne Baumodule zu individualisieren. Ist die Planung jedoch einmal abgeschlossen, müssen sich alle Beteiligten daran halten - abweichende Platzierungen von Steckdosen oder Kabeln sind nicht vorgesehen. Dieses "Wohnen von der Stange" ist bei vielen Menschen verpönt, da es sehr an die uniformen Plattenbauten der Nachkriegszeit und der DDR erinnert.

2. Nicht grundsätzlich fehlerfrei und günstig

Aufgrund der strukturierten Abläufe sind seriell gebaute Gebäude zwar weniger fehleranfällig als konventionell erstellte, ganz ausschließen lassen sich Fehler laut Wohnungsbau-Experten jedoch nicht. Passieren in der Vorfertigung Fehler, kann das die Qualität eines Objektes negativ beeinflussen. Günstiger sind Wohnhäuser in modularer Bauweise auch nicht zwangsläufig. Die Wünsche der Bauherren im Hinblick auf die Dimensionen und die verwendeten Materialien können die Kosten für ein Mehrfamilienhaus erheblich nach oben treiben.

3. Hohe bürokratische Anforderungen

Mehr noch als beim konventionellen Wohnungsbau haben Bauherren beim seriellen oder modularen Wohnungsbau mit den Hürden der Bürokratie zu kämpfen. Das zeigt sich vor allem beim Ausschreibungsverfahren. Das Bauunternehmen übernimmt beim seriellen Bauen alle Leistungen und müsste daher die Aufgabe mithilfe einer sogenannten "funktionellen Leistungsbeschreibung" für die komplette Immobilie ausschreiben. Das ist jedoch in Deutschland eine Ausnahme, die gut begründet werden muss. Standardmäßig werden in öffentlichen Vergabeverfahren alle Gewerke einzeln ausgeschrieben.

Modulare Baukonzepte treiben Digitalisierung in der Bauwirtschaft voran

Ob serielles, modulares, systemisches oder integrales Bauen: Alle Baukonzepte, die auf einem hohen Maß an Vorfertigung basieren, kommen um digitale Anwendungen nicht herum, nehmen vielfach sogar eine Vorreiterrolle in diesem Bereich ein. Der Einsatz von digitalen Technologien ist unerlässlich, um die gleichbleibende Optik und Qualität der vorgefertigten Bauteile zu gewährleisten. Konzepte wie das Building Information Modeling sind im Seriellen Bauen ebenfalls weit verbreitet. Sie geben allen am Bau beteiligten Personen einen Überblick über den aktuellen Stand des Bauvorhabens und die nächsten Schritte. Künstliche Intelligenz wird, davon gehen Experten aus, perspektivisch noch mehr Aufgaben im seriellen Bauen übernehmen – zum Beispiel bei Kalkulationen und im Risikomanagement.

Fazit: Serielles Bauen liegt im Trend

Unter Fachleuten gelten serielle Baukonzepte als perfekte Lösung für den vorherrschenden Wohnraummangel. Die Gebäude mit einem hohen Anteil an Vorfertigung punkten mit kurzen Bauzeiten und hoher Kostenersparnis im Vergleich zu konventionellen Bauweisen. Gleichwohl besitzt serielles Bauen auch Nachteile, allen voran die eingeschränkten Gestaltungsmöglichkeiten.

Bilder: Adobe Stock